True Story

Carandiru – argentinisch-brasilianisches Drama aus dem Jahr 2003.

Carandiru

Der Film basiert auf dem Carandiru-Massaker im Jahr 1992.

Carandiru ist die volkstümliche Bezeichnung für das Gefängnis Casa de Detenção de São Paulo. Der brasilianische Arzt Drauzio Varella arbeitete von 1989 bis 2001 ehrenamtlich in Carandiru, um gegen die Ausbreitung von AIDS vorzugehen. Seine Erfahrungen und die erschreckenden Haftbedingungen beschreibt sein Buch „Estação Carandiru“ das verfilmt wurde. Einst galt das Gefängnis als Muster modernen Justizvollzugs. Das änderte sich jedoch durch zunehmende Überfüllung, der man 1956 durch Neubauten Herr der Lage zu werden suchte, mit denen nun 3250 Haftplätze zur Verfügung standen. Eine nachhaltige Besserung trat aber nicht ein.

Mit seinen bis zu 8000 Insassen wurde das Gefängnis berüchtigt durch Gewalt, Bandenkriminalität, Drogenkonsum, Korruption und äußerste Brutalität der Wärter. Der schlimmste Vorfall ereignete sich am 2.Oktober 1992. Bei einem Aufstand wurden 102 Gefangene erschossen und 9 weitere starben an Stichwunden, die nicht behandelt wurden. Unbewaffnete Insassen, die sich bereits ergeben hatten, sollen ebenfalls erschossen worden sein. Hunderte Militärpolizisten stürmten den Pavillon 9 im Gefängnis nachdem es dort zu einer Revolte gekommen war.

Obwohl die Häftlinge weiße Fahnen gehisst und ihre Stilette in den Hof geworfen hatten, ließ der kommandierende Coronel feuern und hinterher lagen 111 Leichen herum. Der größte Knast Lateinamerikas war buchstäblich ein Inferno, das von Gangsterfamilien und korrupten Gefängnisbeamten gemeinsam genutzt wurde .Alles hatte hier seinen Preis. Eine Flucht, ein Mädchen, Drogen und natürlich auch ein Mord. Die Bosse herrschten aus Einzelzellen heraus. Das Fußvolk dagegen musste jeden Tag neu ums Überleben kämpfen. Die Zustände im Knast waren so chaotisch, dass das spurlose Verschwinden eines Häftlings erst nach Wochen festgestellt wurde.

In manchen der überbelegten Zellen, in denen nur schichtweise genächtigt werden konnte, banden sich die sogenannten „Fledermaus-Männer“ mit den Füßen an die Gitter um Kopfüber zu schlafen. Der Kommandierende der eingesetzten Militärpolizei Oberst Ubiratan Guimarães wurde im Juni 2001 in erster Instanz wegen Mordes in 102 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 632 Jahren verurteilt, blieb jedoch auf freiem Fuß, da er Rechtsmittel einlegte. In zweiter Instanz wurde er 2006 freigesprochen. Noch im selben Jahr wurde er in seiner Wohnung von einem Unbekannten getötet. Die juristische Aufarbeitung zog sich über mehr als zwei Jahrzehnte hin.

In vier getrennten Verfahren wurden, im April 2013, 23 Polizisten zu einer Haftstrafe von jeweils 156 Jahren, im August 2013, 25 Polizisten zu jeweils 624 Jahren, im März 2014, 9 Polizisten zu jeweils 96 Jahren und ein weiterer zu 104 Jahren und schließlich im, April 2014, 15 Polizisten zu jeweils 48 Jahren Gefängnis verurteilt. Nach brasilianischem Recht dürfen verurteilte Häftlinge allerdings maximal 30 Jahre eingesperrt bleiben. Das Carandiru-Massaker von 1992 wird als Anstoß für die Gründung der berüchtigten Bandenorganisation PCC durch Insassen der Strafanstalt Taubaté im folgenden Jahr angesehen.

Im Jahr 2001 gab es einen weiteren Aufstand in 29 Strafanstalten des Staates São Paulo, der in Carandiru durch Insassen mit Mobiltelefonen organisiert worden war. Insgesamt sollen seit 1956 in Carandiru über 1300 Insassen getötet worden sein. Auf Befehl der Mafiafamilie PCC hatten zeitgleich 27.000 Häftlinge in 24 Gefängnissen des Bundesstaates 13.000 Geiseln genommen, die eigenen Angehörigen die zur Besuchsstunde erschienen waren.

Die Zustände des Vollzugs in Carandiru waren jedoch nur ein Abbild einer Katastrophe, die das gesamte Justiz-System betrifft. Im September 2002 wurde das Gefängnis geschlossen und das Gelände seither nach dem Abriss eines Teils der Gebäude in einen Parque da Juventude mit Freizeitangeboten und einer staatlichen technischen Schule umgewandelt. Die Reste der Strafanstalt sind heute frei zugänglich.